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Waschen – Schneiden – Legen Aurer Friseur*innen

von Irene Hager

Das Aurer Coiffeurswesen blickt auf eine lange Tradition zurück, schließlich wurde genau hier der erste Friseursalon des Unterlandes eröffnet: Salon Kaufmann, in der Widumgasse 8. Heute wird der Betrieb in vierter Generation geführt und hat eine abwechslungsreiche Geschichte zu erzählen, wie zahlreiche Fotos und Urkunden an den Wänden des Salons belegen.

Angefangen hat alles vor mehr als einem Jahrhundert, als Josef Kaufmann 1911 testamentarisch festhielt, dass mit seinem Erbe eine „Rasierstube“ für Sohn Alois finanziert werden sollte.[1] 1920 machte Alois Kaufmann effektiv seinen Gewerbeschein und baute sich ein Dasein als Friseur auf. Unerlässlich bei diesem Unterfangen war seine Weggefährtin Hedwig Gallmetzer, die er 1927 heiratete. Noch im selben Jahr absolvierte sie am „Istituto per le piccole industrie e l‘artigianato dell’Alto Adige“ in Bozen eine Ausbildung zur Coiffeurin, sodass der Salon nun Männern und Frauen offenstand. Zu jener Zeit herrschte nämlich strikte Geschlechtertrennung, weshalb weibliche Kundinnen ausschließlich von Frauen bedient wurden, während Männer „nur“ als Herrenfriseure arbeiten durften. Ein richtiges Berufsschulwesen, so wie wir es heute kennen, wurde erst zahlreiche Jahre später ausgebaut, als ab 1948 Schritt für Schritt immer mehr Zuständigkeiten für das lokale Schulwesen an die Autonome Provinz Bozen-Südtirol übergingen.[2] Vor dem Zweiten Weltkrieg waren Berufsanwärterinnen und -anwärter einfach als Lehrlinge in den Betrieben angestellt, um dort das Handwerk von der Pieke auf zu lernen. Weiterführende Kurse in Theorie und Praxis waren nicht erforderlich und wurden, wenn überhaupt, erst in einem zweiten Moment besucht, z.B. in Bozen oder Deutschland.  

Salon Kaufmann in Auer

Da die Ehe der Kaufmanns kinderlos blieb, adoptierten sie ihren Neffen Wilhelm Gallmetzer, der schon länger im Betrieb mithalf. Dessen Frau Hedwig, geborene Unterhauser, lernte ebenfalls das Friseurhandwerk und errang den Meistertitel. Der Salon genoss weit über die Dorfgrenzen hinaus einen guten Ruf, und die Kundschaft fuhr in ihren Kutschen aus dem gesamten Unterland und sogar aus Trient vor, um sich im „Kaufmann“ rasieren zu lassen, die Dauerwelle aufzufrischen oder moderne Wasserwellen gelegt zu bekommen.

Sehr beliebt war eine spezielle Behandlung gegen Haarausfall mit einer eigens in der Bozner Madonna Apotheke hergestellten Tinktur, die im Salon aufgetragen wurde.

Doch das waren nicht die einzigen Dienstleistungen, wegen derer die Menschen zu den Kaufmanns kamen: Da es bis in die 1970er-Jahre hinein in einigen Wohnungen schlicht und einfach noch keine Badewannen oder Duschen gab, führte die Familie im Hinterhof des Salons ein Badehaus. Viele Dorfbewohner, aber auch Soldaten, die in Auer stationiert waren, kamen deshalb hierher, um sich gegen Bezahlung der eigenen Körperpflege zu widmen.  

Alois Kaufmann starb 1967, sein Adoptivsohn Wilhelm Gallmetzer-Kaufmann nur knappe zwei Jahre später. Ab 1969 übernahmen ihre Ehefrauen, die zwei Hedwigs, den Betrieb und tauften ihn auf den Namen „Salon Hedy“. Sie manövrierten ihn erfolgreich durch schwierige Zeiten. 1988 ist der Männersalon an Wilhelms und Hedwigs Sohn Kurt und der Frauensalon an die Töchter Anna und Rosi übergegangen. Letztere führen den Betrieb noch heute, stets im Bewusstsein seiner langen Geschichte.

Ein weiterer Aurer, der es als Coiffeur zu Ruhm gebracht hat, war Robert Ladurner. Dass sein Name in seinem Heimatdorf nicht allzu geläufig ist, könnte daran liegen, dass er eher in Belfast bekannt war – und immer noch ist, wenn man bedenkt, dass ein irisches Online-Nachrichtenportal ihm nach seinem Tod einen Artikel gewidmet hat, in dem man die folgende Beschreibung liest: „Mit seinem markanten Schnurrbart, den grauen Locken und dem allgegenwärtigen weißen Regenmantel ist Robert Ladurner für viele in Belfast ein vertrautes Gesicht.“[3] Geboren wurde der Wahl-Ire 1926 in Auer, doch mit nur 14 Jahren wanderte er im Zuge der Option von 1939 mit seiner Familie ins österreichische Dornbirn nach Vorarlberg aus. Mit 16 wurde er zum Wehrdienst einberufen, wo er sich zur Luftwaffe meldete. Er wurde zum Bombenschützen ausgebildet und musste schon 1943, im Alter von nur 17 Jahren, in den Krieg. Von Frankreich aus flog er nach London, wo die deutschen Truppen mit massiven Bombardements versuchten, den Krieg doch noch für sich zu entscheiden. Während des Lufteinsatzes wurde Roberts Flugzeug getroffen. Der Fallschirm rettete ihn, obwohl weder er noch seine Kameraden jemals gelernt hatten, wie man richtig damit umzugehen habe. Am Boden wurde er festgenommen und als Kriegsgefangener nach Schottland geschickt, wo er auf einem Bauernhof bei der Landarbeit eingesetzt wurde.

Nach zweieinhalbjähriger Gefangenschaft wollte Robert nach Südtirol zurückkehren, doch als ehemaliger Optant und Wehrmachtsoldat war das nicht einfach. Heimlich überquerte er die Grenze und schaffte es bis nach Auer, doch jemand bemerkte seine illegale Einreise: Er wurde verraten und musste das Land erneut verlassen. Es verschlug ihn nach Wien, wo er bei seiner Schwester unterkam und sich mit allerlei Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, ehe er, auf Anraten eines Freundes, eine Ausbildung zum Coiffeur begann und mit Meistertitel abschloss. Dieser war für ihn eine Art Eintrittsticket in die große weite Welt, denn von nun an hielt ihn nichts mehr in Wien: Einige Jahre verbrachte er als Friseur und Skilehrer in der Schweiz, dann zog es ihn für sechs Monate nach Kanada und anschließend nach London. Als sein dortiger Chef einen zweiten Salon in Belfast eröffnete, folgte Robert diesem Ruf und lies sich endgültig in Nordirland nieder. Er verliebte sich in Monica McCarthy, ihres Zeichens ebenfalls Friseurin, und heiratete sie nur wenige Wochen nach ihrem ersten Treffen. Drei gemeinsame Kinder vervollständigten das Glück der Familie.[4]

Salon Antonio de Paris in Belfast

Robert und Monica übernahmen gleich zwei Friseursalons, denen sie den elegant klingenden Namen „Antonio de Paris“ verliehen. Die Salons waren im ganzen Land bekannt, denn niemand sonst hatte auf der Insel einen ähnlich renommierten Meistertitel wie der Aurer vorzuweisen.[5]

Angeblich haben sich sogar Stars wie Elizabeth Taylor von Robert die Haare zurechtmachen lassen.

Von nun an musste Robert nicht mehr die halbe Welt bereisen, um Arbeit zu finden, aber das Weltenbummeln machte ihm weiterhin viel Spaß, sodass es ihn u.a. nach China, Kairo, Kapstadt und New York verschlug. Und auch den Kontakt zu seiner alten Heimat hielt er stets aufrecht. Bis zu seinem Tod 2012 kehrte er regelmäßig nach Auer zurück, wo er im Dorfzentrum ein kleines Haus besaß.

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Fußnoten

[1] www.salonkaufmann.it/de/#salon [23.12.2021].

[2] Hartwig Gerstgrasser, Berufsbildung in Südtirol, “Turris Babel”, 3 (2015), 97, 44-48.

[3] „With his distinctive handlebar moustache, shock of grey locks and omnipresent white raincoat Robert Ladurner is a familiar face to many in Belfast.“ https://belfastmedia.com/hidden-history-of-luftwaffe-pilot-and-gentleman-barber [28.12.2021].

[4] https://belfastmedia.com/hidden-history-of-luftwaffe-pilot-and-gentleman-barber [23.12.2021].

[5] Mit Schere zum Erfolg, in: „Die Weinstraße“, 3 (2006), 10, 22-23, hier 23.

Bibliografie

Gerstgrasser, Hartwig, Berufsbildung in Südtirol, „Turris Babel“, 3 (2015), 97, 44-48.

Mit Schere zum Erfolg, „Die Weinstraße“, 3 (2006), 10, 22-23.

https://www.salonkaufmann.it/de/

https://belfastmedia.com/hidden-history-of-luftwaffe-pilot-and-gentleman-barber

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