Seit jeher befindet sich Auer an einem für den Fremdenverkehr günstigen Knotenpunkt: direkt an der Brennerroute und in der Nähe wichtiger Anbindungen an das Überetsch und ins Fleimstal. Das hat sich positiv auf das Gastgewerbe ausgewirkt, weshalb Auer schon vor vielen Jahrhunderten zahlreiche Herbergen vorzuweisen hatte. Das wohl älteste Gasthaus dürfte das Hotel Elefant auf dem Aurer Hauptplatz sein, das bereits 1476 erstmals urkundlich erwähnt wurde, und zwar als Wirtshaus „zur Hylbe“.[1] Seinen heutigen Namen verdankt das Haus einer kuriosen Begebenheit, die auf das Jahr 1551 zurückgeht, als Erzherzog Maximilian von Österreich (später Kaiser Maximilian II.) mit dem mittlerweile allseits bekannten Elefanten Soliman von Spanien nach Wien reiste und in Auer haltmachte.[2] Noch heute existieren entlang seiner damaligen Wegstrecke zahlreiche Gasthäuser, die den „Elefanten“ im Namen tragen.[3]
Das Aurer Hotel Elefant hat somit eine lange Geschichte zu erzählen. Ausgehend vom 15. Jahrhundert über den Soliman bis hin zu seiner Zerstörung bei einem verheerenden Brand im Jahre 1959. Aber mindestens genauso interessant ist die Lebensgeschichte jener Person, die den Gasthof nach dem 2. Weltkrieg übernommen und zu einem der modernsten Hotels Südtirols umgebaut hat: Richard Bonell, geboren 1919, als jüngster von fünf Geschwistern. Seine Eltern waren der damalige Bürgermeister Wilhelm Bonell und Anna Waldthaler. Bis zu seinem siebten Lebensjahr hatte die Familie den Gasthof verpachtet, doch als der Vertrag auslief, übernahmen die Bonells erneut die Führung. Um die Jahrhundertwende fungierten die Aurer Gasthöfe eher als Zwischenstopp und Aufenthaltsort für Händler und deren Gepäck, die das Postamt im nahegelegenen Gasthof Post (heute Bar Rosenkeller) für den Weitertransport der Waren nutzten. Wirkliche Reisende, so wie wir sie heute als Urlaubsgäste kennen, übernachteten damals noch nicht im Dorf. Die Wende kam in den 1920er-Jahren: Abgesehen von einer anfänglichen Krise, erholte sich die lokale Tourismusbranche verhältnismäßig schnell vom Krieg, auch Dank jener Bahnstrecken und Seilbahnen, die zuvor zum Transport von Waffen und Lebensmitteln errichtet worden waren, wie beispielsweise die Fleimstalbahn. Nun machten sie den Weg frei für den aufkommenden Berg- und Wandertourismus. Es ist kein Zufall, dass Luis Trenkers Stern genau in jenen Jahren zum ersten Mal am Filmhimmel erstrahlte.[4]
Mit achtzehn Jahren wurde Richard Bonell in den italienischen Kriegsdienst eingezogen. Weil er im bischöflichen Konvikt „Johanneum“ in Dorf Tirol sieben Sprachen gelernt hatte, wurde ihm die Aufgabe des Dolmetschers zuteil, weshalb er nicht sofort an die Front musste. Doch obwohl er seinem Befehlshaber ans Herz gewachsen war, konnte dieser ihn nicht länger bei sich behalten und so wurde Bonell als Kampfpilot in den Abessinienkrieg nach El Alamein geschickt. Wie er wurden damals hunderte, wenn nicht gar tausende[5] Burschen nach Ostafrika verschifft: es war das erste Mal, dass deutschsprachige Südtiroler unter italienischer Flagge kämpften. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass viele desertierten und versuchten, sich ins Ausland abzusetzen. Wer geschnappt wurde, dem drohten harte Strafen, sei es den Deserteuren als auch jenen, die ihnen zur Flucht verholfen hatten.[6]
Richard Bonell wurde auf einem Flug zwischen Afrika und Italien verletzt, bei dem nur drei der anfänglich gestarteten 47 Maschinen mehr schlecht als recht ihr Ziel erreichten. Er kam zur Genesung ins Lazarett auf die Mendel, musste aber nach nur wenigen Monaten erneut nach Afrika aufbrechen, diesmal als Flugausbilder. Nach einer zwischenzeitlichen Inhaftierung in einem Gefangenenlager in Rimini kehrte er nach 1945 zurück ins Unterland, wo er den elterlichen Gasthof übernahm. Das Gebäude war im Krieg völlig zerstört worden, sodass er es zusammen mit seiner frisch angetrauten Gattin Anna Decarli – geheiratet wurde 1946 – neu aufbauen musste.
Der Elefant wurde bald zum Zentrum des gesellschaftlichen Dorflebens.
Nach dem sonntäglichen Kirchgang gingen fast alle Männer ins Gasthaus, wo man bei einem guten Glas ungestört Karten spielen konnte. Mit dem Wirtschaftswunder der 1950er- und 1960er-Jahre kam der Sommerurlaub im Süden in Mode. Außerdem war das Reisen nun nicht mehr nur ein Privileg der gehobenen Gesellschaft. Die Alpen wurden geschickt als spannendes Erlebnisparadies vermarktet, wo die unterschiedlichsten Abenteuer lockten: von Skifahren über Wandern bis hin zum Badeurlaub am Kalterer See.
In dieser Zeit des Aufschwungs brannte der Gasthof im Jänner 1959 in einer eiskalten Nacht von – 22°C komplett ab. Das war ein harter Schlag für Bonell, denn er verlor seinen ganzen Besitz. Trotzdem begann er gleich mit dem Wiederaufbau und schon im April des darauffolgenden Jahres wurde der Betrieb erneut aufgenommen. Doch nicht nur das: dank des Umbaus war das Hotel jetzt eines der modernsten Häuser Südtirols. Jedes Zimmer verfügte beispielsweise über ein eigenes Bad, im Gegensatz zu den bis dato üblichen Gemeinschaftsbädern auf den Stockwerken. Das Hotel zog nun internationales Publikum an. Neben Gästen aus Deutschland und Italien kamen auch Reisende aus Frankreich, Großbritannien, Holland und der Schweiz. Da Auer ab 1971 über die neue Autobahn auch aus dem deutschsprachigen Ausland gut zu erreichen war, reisten immer mehr Gäste mit dem eigenen Pkw an, aber auch Busreisen machten beim Hotel Elefant halt. Manche nur für ein Mittagessen oder eine Nacht, andere auch für längere Urlaube.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Bonell aktiv für die Aurer Dorfgemeinschaft. Das Vereinsleben sowie das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen waren ihm wichtig. Er war 1954 u. a. Mitbegründer und Förderer des örtlichen Verschönerungsvereins sowie der „Weinkostwoche“, mit der Auer zum Mekka der Weinverkostung avancierte.[7] Auch das Vereinshaus und der Kindergarten gehen zum Teil auf ihn zurück. Wegen seiner tatkräftigen Unterstützung war er Ehrenmitglied vieler Vereine.
Richard Bonell starb am 12. April 1990. Heute wird das Hotel in der fünften Generation geführt und zieht weiterhin nationale wie internationale Gäste an, die hierherkommen, um Südtirol in vollen Zügen zu genießen.
[1] Helmut Zelger, Auer im Südtiroler Unterland, Verschönerungsverein Auer, Auer 2006, 46.
[2] Ebd.
[3] Hans Heiss, Der Weg des „Elephanten“. Geschichte eines großen Gasthofs seit 1551, Folio Verlag, Bozen 2002.
[4] Josef Rohrer, Zimmer frei. Das Buch zum Touriseum, Athesia, Bozen 2003, 144f.
[5] Die genauen Zahlen sind unbekannt. Vgl. Gottfried Solderer, (ed.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol, vol. 2, Edition Raetia, Bozen 1999, 265.
[6] Ebd. 266.
[7] Käthe von Röggla, Brücke zur zweiten Heimat. Auer – Südtirol, Fotolito Varesco, Auer 2002, 94f.
https://www.hotelelefant.it/de/hotel-in-auer/geschichte-tradition.html
Heiss, Hans, Der Weg des „Elephanten“. Geschichte eines großen Gasthofs seit 1551, Folio Verlag, Bozen 2002.
Institut für Grundlagenforschung, Der Wintergast. Gästebefragung Südtirol Winter 1990/91, Autonome Provinz Bozen – Südtirol, Bozen 1991.
von Röggla, Käthe, Brücke zur zweiten Heimat. Auer – Südtirol, Fotolito Varesco, Auer 2002.
Rohrer, Josef, Touriseum. Eine Reise durch das Museum für Tourismus, Tourismusmuseum Schloss Trauttmansdorff, Meran 2004.
Rohrer, Josef, Zimmer frei. Das Buch zum Touriseum, Athesia, Bozen 2003.
Solderer, Gottfried (ed.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol, vol. 2, Edition Raetia, Bozen 1999.
Zelger, Helmut, Auer im Südtiroler Unterland, Verschönerungsverein Auer, Auer 2006.