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Auf ein baldiges Wiedersehen. Feldpost

von Eva Kaufmann

Meistens dieselben Sätze, dennoch von enormer Wichtigkeit; das täglich erhoffte Lebenszeichen. Eine Feldpost zu erhalten war eine Erleichterung und zugleich der Beginn des Bangens bis zum nächsten Zeichen: der nächste Brief, eine Postkarte oder ein Paket mit dreckiger Wäsche.

Vor einiger Zeit stieß ich auf alte Briefe und Feldpostostkarten meiner Vorfahren, hauptsächlich adressiert an meinem Urgroßvater Johann Kaufmann, geboren 1871. Diese Briefe aus dem ersten Weltkrieg wurden in Kurrentschrift verfasst. Damals bewirtschafte Johann gemeinsam mit seiner Frau Karolina, geboren Tapfer, Jahrgang 1869, eine Landwirtschaft, ein Gasthaus und sie führten ein Geschäft und waren aktiv in die Auerer Dorfgesellschaft miteingebunden. Die Briefe erzählen nicht nur von Johanns Leben an der Front und meiner Familie in Auer, sondern gewähren auch Einblicke in das Leben vor hundert Jahren in unserem Dorf.

Familie Kaufmann bei der Weinlese in den 1920er: v.l.n.r. Karolina Kaufmann (*1900), Johann Kaufmann (*1871), Karolina Kaufmann (*1869), Johann Kaufmann (*1900), unbekannter Junge, Anton Kaufmann (*1901) und Franz Kaufmann (*1904).

Die meisten der rund 500 Briefe und Feldpostkarten schicken einfache Grüße an Familie und Freunde und waren somit die erleichternde Nachricht, dass es einem gut ginge. Einige Briefe und Postkarten an die Geliebten zu Hause bzw. an die Front beinhalten auch geschäftliches, da Johann seine Tätigkeiten als Kaufmann und Gastwirt an der Front nicht einfach pausieren lassen konnte.

Die erste Feldpost ist mit 1. Juni 1915 datiert. Sie wurde von Johanns Schwester Maria an seinen Bruder geschrieben. Aus einem kleinen Büchlein mit Einträgen von Johann erfuhr ich, dass seine Tätigkeit an diesem Tag Kellnern war. Am 1. Juni 1915 war er damals als Patroulienführer der 1. Kompanie Auer, Aldein und Radein des Baon Auers schon einige Tage im Dienst. Er gehörte zu den Standschützen, all jene Männer, die entweder zu alt oder zu jung für das Militär waren und mit dem Kriegseintritt Italiens an die Front gerufen wurden. In dem Büchlein trug Johann mit der Überschrift „Ausweiss über die Zeit der Einrückung zum Kriegsdienste“ von Mai bis Juli 1915 Tag für Tag seine Tätigkeit und Standortwechsel ein. Sein erster Eintrag beginnt am 18. Mai 1915 mit „Alamiert“. Im Buch „Baon Auer“ von Rolando Cembran (1993) ist zu lesen, dass der Baon Auer am 19. Mai 1915 eingegliedert wurde. Am 20. Mai 1915 erreichte die 1. Kompanie den Kugola, so schreibt Cembran. Auch in Johanns Büchlein ist „20. Mai 1915 zum Kugola marschiert“ notiert. Zu den Tätigkeiten von Johann gehörten laut seinen Notizen Schanzengraben machen, auf Patrole gehen, Holz machen, Kellnern und Kochen. Johanns Standort wechselt zwischen Kugola, Jochgrimm, Covara, Kadintal und Stue Alto.

Die genannten Orte treten immer wieder in den Feldpostkarten und Briefen an die Familie und Freunde auf. Die Sammlung umfasst Feldpostkarten und Briefe geschrieben und verschickt zwischen Mai 1915 und Jänner 1916 und zwischen Mai und August 1917. Aus dem Jahr 1917 sind auch einige Passierscheine erhalten. Die Informationen auf den Feldpostkarten wurden meistens kurzgehalten, da sie auf dem offiziellen Weg eine Zensur durchliefen. In Briefe wurden hingegen ausführlicher berichtet, da diese oft in Paketen versteckt wurden oder durch Menschen persönlich an die Empfänger übergeben. Durch die Feldpost und Passierscheine ist ersichtlich, dass Johann in den Jahren 1915 und 1916 unter der Feldpostnummer 615 und im Jahr 1917 unter der Feldpostnummer 407 erreichbar war. Jeder militärischen Einheit wurde eine Feldpostnummer zugeteilt um den Standort nicht preis zu geben. Die Feldpostnummer 407 gehörte zu einer Straßenbauleitung. Die Passierscheine zeigen, dass Johann öfters nach Auer oder Bozen musst, um Einkäufe und Besorgungen zu machen, dafür bekam er die Erlaubnis die Bahn und Fahrzeuge zu benutzen.

Die erhaltenen Briefe decken nicht die ganze Kriegszeit ab. Die 50 verschiedene Absender und Absenderinnen und neun Empfänger und Empfängerinnen geben einen faszinierenden Einblick in die damalige Zeit. Der umfassendste Austausch fand zwischen Johann und Karolina statt. Umfangreich war auch der Austausch mit den Kindern Karolina, Johann, Anton und Franz, Johanns Schwester Maria und Karolinas Schwestern Serafike und Ferdinanda. Die restlichen Absender und Absenderinne waren Bekannte und Freunde an der Front, aus Auer, Südtirol und Österreich.

Johann und seine Frau Karolina schickten sich fast täglich Briefe und Feldpostkarten auch aus geschäftlichen Gründen. Während der 43-Jährige Johann an der Front im Gebiet des Fleimstals stationiert war, führte Karolina, damals 45 Jahre alt, gemeinsam mit Johanns Schwester Maria Kaufmann zu Hause das Geschäft, bewirtschaftete die Felder und betrieb das Gasthaus. Johann war durch seine Briefe und Pakete aus dem Fleimstal immer präsent. Diese enthielten Anweisungen zur Ernte, Kellerarbeiten und Verkauf der Waren. Obwohl Karolina im Dorf respektiert wurde, musste sie wegen Geschäftsangelegenheiten öfters ihrem Mann schreiben, damit er diese Angelegenheiten mit Lieferanten und Kunden klärte. So schreibt Karolina Anfang Oktober 1915 „bitte schrieb du der Bezirkshauptmannschaft wegen den Geschäften es gilt mehr wenn du schreibst“. Das Geschäft Kaufmann spielte auch eine Rolle in der Versorgung der Männer an der Front, so schickte Karolina immer wieder Speck, Leps, Schnaps auch Arbeitsgeist genannt und Zuckerlen in das Fleimstal. Aus dem Fleimstal ließ Johann wiederum Käseleibe und andere Lebensmittel nach Auer schicken.

Sehr umfassend war auch der Austausch mit seinen Kindern, besonders mit seiner ältesten Tochter Karolina (genannt Lina, geboren 1900). Die damals 14-jährige war die erste Ansprechpartnerin für Johann, wenn es darum ging die Mutter zu entlasten. Johann trug Lina auf sich um die vier jüngeren Kinder zu kümmern und im Betrieb mitzuhelfen, damit die „liebe Mutter“ unterstützt werde und sich weniger sorgen müsse. Besonders im Oktober 1915 sollte Lina sich um die Kleinen kümmern und ihnen was lernen, da die Schule, wegen des Krieges nicht abgehalten wurden. Es war sicherlich ein harter Schlag für die Familie, als Lina gemeinsam mit Johann, dem zweitältesten, für rund einen Monat mit Typhus im Spital in Auer lagen.

Feldpostkarte von Lina Kaufmann an Johann Kaufmann geschrieben am 19.09.1915 im Spital in Auer.

Mit der entfernten Familie, insbesondere Karolinas Schwestern Ferdinanda und Serafike Tapfer, waren sie immer in Kontakt. Beide waren Klosterfrauen, eine in Schwaz in Tirol und die andere in Eppan. Nicht nur in Worten unterstützten sie Karolina und Johann, sondern sie schickten auch handgestrickte Socken, Bücher und Gebete an die Front. Doch der Krieg war spürbar, jede gestrickte Socke und jedes Buch mussten bezahlt werden. Die Begegnungen waren rar, der Markt in Bozen bot für Karolina eine der wenigen Gelegenheiten, ihre Schwester Ferdinanda zu treffen. Doch oft verpassten sie sich, was die Trennung noch schmerzlicher machte.

Besonders an Namens- und Geburtstagen und an Feiertagen schmerzte die Trennung der Familie und Freunde. So schildert Maria, Johanns Schwester, in einer Feldpostkarte die Christbaumfeier 1915 als einen traurigen Abend, da das Familienoberhaupt, der Vater, gefehlt hatte. “Mutter (Karolina) und ich weinten, Kinder wussten nicht sollten sie lachen oder weinen, endlich sind alle niedergekniet, 5 Vater Unser gebeten, dann ein Lied gesungen und fertig”.

Eine harte Prüfung für die Familie, die dennoch den Glauben bewahrte und sich mit den Worten „In Gottesnam kann man nichts machen“ tröstete. Der Glaube spielte eine zentrale Rolle im Leben aller. Gebete für den „lang ersehnten Frieden“ und das Überleben der Familie waren allgegenwärtig. Maria Weißenstein wurde oft besucht und die Gebete auch von dort durch Postkarten an die Front gesendet.

Feldpostkarte von Sohn Johann Kaufmann an Vater Johann Kaufmann geschrieben am 29.06.1915 in Maria Weissenstein

Die erhaltenen Dokumente zeigen, dass Johann immer wieder für eine bestimmte Zeit nach Hause zurückgekehrt ist. Trotzdem fiel der Abschied stets schwer. Sicherlich war es für die ganze Familie eine Erleichterung, als der Krieg endete und die Familie wieder vereint war.

Diese Feldpostbriefe sind mehr als historische Dokumente. Sie sind Fenster in eine bewegende Vergangenheit, in der Liebe, Glaube und Hoffnung die Menschen inmitten des Krieges zusammenhielten.

Bibliografie

Cembran, Rolando (1993). Baon Auer. Die Odyssee des Standschützen-Bataillons „Auer“ Nr. IX. Manferini, Calliano.

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