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Wenn der Herr das Haus nicht baut Heinrich Schullian

von Tobias Simonini

Ein Seelsorger sondergleichen – Erzpfarrer von Auer 1948–1969
Nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs und wenige Monate bevor die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ im Palais de Chaillot in Paris verkündet wurde, trat Heinrich „Enrico“ Schullian seinen Dienst als Erzpfarrer von Auer an. Der ehemalige Rektor der Kirche von San Marco in Trient und Ordinariats-Sekretär an der erzbischöflichen Kurie folgte am 26. September1948 auf Erzpfarrer Gottfried Alber, der „freiwillig auf die Pfarre resignierte“.[1]

Heinrich Schullian wurde in der Nacht vom 16. Juni 1903 in Kaltern geboren und – wie es damals üblich war – gleich am darauffolgenden Tag getauft. Er verbrachte seine Kindheit und Jugend in Kaltern und besuchte von 1914 bis 1922 das Gymnasium der Benediktiner in Meran. Als in ihm der Wunsch groß wurde, Priester zu werden, trat er – wie es für die Priesteramtskandidaten aus dem Süden Südtirols, das bis zur Neugründung der Diözese Bozen–Brixen 1964 zum Erzbistum Trient gehörte, üblich war – ins Seminar von Trient ein und studierte vorerst in Brixen (1922–1923) und dann in Trient (1923–1926) Katholische Theologie. Seit der Teilung Tirols 1919 erstreckte sich die Diözese Brixen, die damals vom Bodensee bis nach Kärnten reichte,[2] über zwei Staaten. Teile des Eisacktals mit der Bischofsstadt Brixen, das Pustertal und das Wipptal sowie Teile des Vinschgaus gehörten nun staatlich gesehen zu Italien, seelsorglich aber zum Bistum Brixen. Das restliche Gebiet des heutigen Südtirols war als Deutscher Anteil der Diözese Trient einverleibt.

Am 29. Juni 1926 wurde Schullian, nach dem Empfang der niederen Weihen in den vorausgehenden Jahren, in der Kathedrale San Vigilio in Trient zum Priester geweiht. Nach der Priesterweihe wirkte Heinrich Schullian für mehrere Jahre als Kooperator in Gemeinden des Unterlandes und Etschtales und arbeitete von 1945 bis 1948 für drei Jahre als Sekretär am Erzbischöflichen Ordinariat in Trient.

Als er im September 1948 als Erzpfarrer nach Auer bestellt wurde, fand er die pfarrlichen Strukturen stark heruntergekommen vor.

Neben der Marienkirche, die nur wenige Baumängel aufwies und deren Schäden sich auf das Geläut zurückführen ließen, stellte vor allem die Peterskirche, welche bei der Aurer Bevölkerung sehr beliebt war, eine große Belastung dar:[3] Sprünge und Risse im Gewölbe, Mauerfraß und Schimmel aufgrund der Feuchtigkeit griffen die Bausubstanz des spätgotischen Gotteshauses an, welches 1527 fertiggestellt wurde.[4] Vor allem das Widum wurde aufgrund der Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Wirtschaftsgebäude wurden teils gänzlich zerstört oder schwer beschädigt. Während im Dienstzimmer des Pfarrers die Tür kaputt war und in dessen Schlafzimmer die Fenster allesamt schadhaft waren, war das Zimmer des Kooperators das wärmste im ganzen Gebäudekomplex. Der damalige Kooperator Matthias Thaler war es auch, der die Gründung einer Schauspieltruppe – der „Jugendbühne Auer“ – angeregt hatte, die bereits 1947 mit „Wenn der Herr das Haus nicht baut“ erstmals ein Stück vor Publikum aufführte. Pfarrer Schullian trat alsbald die Stelle des Obmanns an und stand auch der „Aurer Heimatbühne“, die 1959 an die Stelle der „Jugendbühne Auer“ trat, seit ihrer Gründung am 20. Jänner 1960 bis zu seiner Pensionierung 1969, als Obmann vor.

Neben der Behebung der Kriegsschäden am Widum und den anderen Kirchgütern, wie der neuen Buntglasfenster in der Marienkirche und der Elektrifizierung des Geläuts, wurde auch der rechte Seitenaltar, der infolge einer umgekippten Kerze am 6. Juni 1967 abgebrannt war,[5] neu errichtet.

Marienkirche Auer

Nebst war Pfarrer Schullian vor allem die Jugend im Dorf ein besonderes Anliegen. So beschreibt Schullian in einem Brief[6] an den Jugendseelsorger Adolf Werth in Lichtenstern (Ritten) die damalige Situation:

„Ich weiß, daß Auer und sein Pfarrer beim Jugendsekretariat auf der schwarzen Liste stehen (dh. [!] zu den wenig eifrigen gezählt werden) woran aber mehr die Verhältnisse als die Menschen beitragen.“[7] 

Nichtsdestotrotz setzte er einen wichtigen Schritt und so zählt die Erbauung des Jugendheimes, das am 1. Oktober 1961 eingeweiht wurde zum Hauptverdienst seines 21-jährigen Wirkens in Auer.[8] Viele Aurerinnen und Aurer verbrachten einen Großteil ihrer Kindheit, Jugend und Freizeit im Tscharfhaus, wo über viele Jahre die Heimatbühne, die Katholische Jungschar, später auch die Schützenkompanie und die Volkstanzgruppe ihre Tätigkeiten ausüben konnten. Nennenswert ist auch die erste öffentliche Bibliothek im Erkerzimmer.

Dass Schullian auch die Seelsorge in Auer ein wichtiges Anliegen war, geht aus einem Brief an den Guardian des Franziskanerklosters aus dem Jahr 1955 hervor, in dem der Pfarrer seinen Unmut über das Ausbleiben der Patres am Rosenkranzsonntag äußert:

„Hochwürden Pater Guardian! Erlaube mir höflichst Anfrage ob in Zukunft die fixen Aushilfen vorher angemeldet werden müssen oder ob sie wie bisher automatisch geleistet werden. Der Vorfall vom vergangenen Sonntag, Rosenkranzsonntag und Patrozinium der Pfarrkirche, drängt mir nämlich diesen Zweifel auf. Es war schon sehr unangenehm unerwartet ohne Aushilfe zu bleiben: viele Beichtleute konnten nicht abgefertigt werden, das levitierte Amt konnte nicht gehalten werden (das wäre noch am leichtesten zu verschmerzen gewesen) und auch die Predigt musste erst noch Samstagabends hergerichtet werden, kurz es war eine böse Überraschung und auch die Leute haben es übel vermerkt (‚das Sammeln vergessen sie nicht‘). […] Bitte mir dieses Schreiben nicht übel zu nehmen, ich möchte nur nicht wieder in eine ähnliche fatale Lage kommen. Mit herzlichen Grüssen“[9]

Am 6. August 1964 wurde Südtirol zu einer Diözese vereint.[10] Am 1. September 1964 wurde – die nun flächenmäßig größte Diözese Italiens – Bischof Joseph Gargitter im Palast des Patriarchen von Venedig die neugegründete Diözese übergeben. „Damit hat der Vatikan einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Autonomiefrage Südtirols geleistet.“[11] Die Umsetzung der Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils (1962–1965), welches das bedeutendste Ereignis der jüngeren Kirchengeschichte darstellt sowie die bereits angedachten Restaurierungsarbeiten in der Peterskirche sollte jedoch nicht Schullian selbst, sondern sein Nachfolger Franz Ungerer, der im September 1969 die Pfarrei übernahm, umsetzen. Aus gesundheitlichen Gründen trat Heinrich Schullian im Alter von 66 Jahren den wohlverdienten Ruhestand an und übersiedelte in seinen Heimatort Kaltern. Schullian starb am 11. September 1977 im Alter von 74 Jahren in Bozen.

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Fußnoten

[1] Pfarrarchiv Auer, Archiv-Signatur 221: Übergabe-Protokoll für die Erzpfarre Auer vom 20.10.1951.

[2] Vgl. Josef Gelmi, Geschichte der Kirche in den Diözesen Bozen-Brixen und Innsbruck, Safida Media, Kehl am Rhein 2014, 212–214.

[3] Vgl. Pfarrarchiigentliches Anliegen des Briefes ist die Anschaffung eines Harmoniums, um der Jugend die Möglichkeit des gemeinsamen Musizierens zu ermöglichen.v Auer, Archiv-Signatur 221: Übergabe-Protokoll für die Erzpfarre Auer vom 20.10.1951.

[4] Zur Geschichte der Peterskirche s.: Tobias Simonini, Die Gotteshäuser von Auer, Pfarrei Auer, Auer 2016.

[5] Vgl. Simonini, Die Gotteshäuser von Auer, op. cit.

[6] E

[7] Pfarrarchiv Auer, Archiv-Signatur 224: Brief von Pfarrer Heinrich Schullian an Adolf Werth vom 10.09.1951.

[8] Vgl. Heinrich Lona, Pfarrgeschichte von Auer. Herausgegeben zur 300-Jahr-Feier der Marienkirche, Neumarkt 1974, 23.

[9] Pfarrarchiv Auer, Archiv-Signatur 224: Brief von Pfarrer Heinrich Schullian an den Pater Guardian des Franziskanerklosters vom 8.10.1955.

[10] Mit der Bulle Quo aptius, die Papst Paul VI. in Castel Gandolfo ausgesellt hat, wurde das in der Provinz Bozen gelegene Gebiet, bzw. der „Deutsche Anteil“ der Diözese Trient, dem Teil der Diözese Brixen, der sich ebenfalls in der Provinz Bozen befand, angegliedert. Die neu gegründete Diözese trägt fortan den Namen Bozen-Brixen.

[11] Gelmi, Geschichte der Kirche, op. cit., 228.

Bibliografie

Pfarrarchiv Auer, Archiv-Signatur 221.

Pfarrarchiv Auer, Archiv-Signatur 224.

Gelmi, Josef, Geschichte der Kirche in den Diözesen Bozen-Brixen und Innsbruck, Safida Media, Kehl am Rhein 2014.

Lona, Heinrich, Pfarrgeschichte von Auer. Herausgegeben zur 300 – Jahr – Feier der Marienkirche, Neumarkt 1974.

Simonini, Tobias, Die Gotteshäuser von Auer, Pfarrei Auer, Auer 2016.

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