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Erzählte GeschichteN: Arbeiten in der Ferne

Seit etlichen Jahren veranstaltet der Bildungsausschuss bereits die Serie „Erzählte GeschichteN“. Dabei erzählen Aurer von ihren gemachten Erfahrungen und bringen somit historische Ereignisse dem Publikum näher, passend zum Mehrjahresthema „100 Jahre Leben in Auer“. 

Lebendige Erzählungen

Anfang Dezember waren Emma Zwerger, Maria Pia Simonini und Peter Kaufmann als Zeitzeugen in die Bibliothek geladen worden. Emma Zwerger war mit 23 Jahren als Dienstmädchen bei einer wohlhabenden Familie in San Stino di Livenza beschäftigt. In unterhaltsamer Art und Weise erzählte Zwerger davon wie streng das damalige Leben war, gleichzeitig erlaubte ihr der Aufenthalt bei der Familie Moretto/Viel aber auch Privilegien, die andere gleichaltrige Mädchen in Auer nicht hatten, wie etwa einen Meeresaufenthalt oder ein Winter-Wochenende in Cortina. Enttäuscht zeigte sich Emma Zwerger in ihren Erzählungen aber darüber, dass sie bei einer Erkrankung selbst die Medikamente bezahlen musste, obwohl das Familienoberhaupt Apotheker war. 

Auch Maria Pia Simonini war als Dienstmädchen in Mailand tätig. Sie litt unter starkem Heimweh und kehrte deshalb bereits nach einem Jahr nach Südtirol zurück. Simonini beschrieb vor allem die strengen Auflagen und Arbeitsmethoden, so musste sie ein Hemd sieben Mal bügeln, bis es endlich den anspruchsvollen Herrschaften passte.

Peter Kaufmann zog hingegen bewusst in die Ferne, nicht aus ökonomischen Gründen, sondern um sein berufliches Wissen zu erweitern. Kaufmann arbeitete vor allem in Oberitalien in verschiedenen Hotels und Restaurants und lernte viele neue Zubereitungsmethoden kennen. Besonders glücklich schätzte sich Kaufmann, als er als eingefleischter Fußballfan die Mannschaft der AS Roma im Hotel beherbergen konnte.

Die historische Einschätzung

Historikerin Martha Verdorfer hatte als Co-Autorin das Buch „Wie die Schwalben fliegen sie aus- Südtirolerinnen als Dienstmädchen in italienischen Städten“ verfasst. Verdorfer hörte den Erlebnisberichten der Aurer Zeitzeugen gespannt zu und ergänzte diese durch historische Fakten und Hintergrundwissen. So zeigte Verdorfer dem zahlreichen und interessierten Publikum in der Öffentlichen Bibliothek auf, dass besonders in den Jahren 1920- 1960 viele Südtiroler nach Oberitalien gingen, um dort zu arbeiten. Die meisten taten dies damals aus finanziellen Gründen, weil hierzulande viele Großfamilien sich zunehmend schwertaten. Interessant ist, dass damals besonders Frauen wegzogen und vielfach als Dienst- oder Kindermädchen in der Ferne arbeiteten. Politisch war diese „Auswanderung“ recht heikel, denn damals sahen viele deutschsprachige Südtiroler den italienischen Staat als „Feinbild“. In ihren Ausführungen erinnerte Martha Verdorfer auch daran, dass angesichts der jüngsten Migrationswellen in Europa viele Menschen in Südtirol scheinbar vergessen haben, dass auch viele Südtiroler Migranten waren, abgesehen von der Option 1939. 

Im Anschluss an den spannenden Erzählnachmittag lud der Bildungsausschuss noch alle zu einem kleinen weihnachtlichen Umtrunk ein. Ein besonderer Dank geht an die Öffentliche Bibliothek Auer sowie an die Schüler der Musikschule Unterland (Sophia, Valentina, Marianna, Dorian, Julian und Steve), die unter der Leitung der Lehrfachkraft Monika die Veranstaltung wieder musikalisch sehr gelungen umrahmten.