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Arzt sein in bewegten Zeiten Maximilian von Röggla

von Irene Hager

Maximilian von Röggla war ab den 1950er-Jahren als Arzt in Auer tätig, in einer politisch, sozial und wirtschaftlich bewegten Zeit, als Europa aus der Asche des Zweiten Weltkriegs aufzuerstehen versuchte. Es war auch der Moment großer Unruhen in Südtirol, denn der Verbleib bei Italien und das Pariser Abkommen zwischen Karl Gruber und Alcide Degasperi von 1946 sorgten bei weiten Teilen der Bevölkerung für Unzufriedenheit. Von Röggla setzte sich für die Rechte der deutschsprachigen Minderheit ein und hinterließ damit in Auer eine bleibende Erinnerung.

Geboren wurde Maximilian von Röggla 1909 in Kaltern, als Sohn des Wein- und Obsthändlers Anton Theodor von Röggla und Juliane geb. Wellenzohn. Er besuchte das Franziskaner-Gymnasium in Bozen und begann anschließend in Innsbruck mit dem Studium der Medizin. Noch während seiner Universitätszeit brach die Option über Südtirol herein. Der angehende Arzt optierte und ging nach Leipzig, wo er 1941 promovierte. Noch im selben Jahr heiratete er Käthe Helbig, die eine Ausbildung zur chemischen Assistentin hinter sich hatte. Der Südtiroler und die Deutsche hatten sich sieben Jahre zuvor während eines Skiausflugs auf der Seiser Alm kennengelernt.

Von Röggla absolvierte ein einjähriges Praktikum im Krankenhaus von Zeitz bei Leipzig und anschließend übernahm das Paar eine kleine Landpraxis. Doch bald wurde der Arzt eingezogen und kam, es war das Jahr 1944, in ein Lazarett nach Dresden und später an die Ostfront, wo er festgenommen wurde und bis 1947 in polnischer Kriegsgefangenschaft blieb. Nach seiner Freilassung verschlug es ihn zurück nach Leipzig, doch hier wollte er nicht mehr bleiben. Südtirol war sein Ziel, aber Ostdeutschland war sowjetische Besatzungszone und von Röggla und seine Frau konnten nicht einfach so auswandern, schon gar nicht nach Italien: Beide waren deutsche Staatsbürger.

Käthe und Maximilian von Röggla

Abertausende Südtiroler hatten im Zuge der Option die italienische Staatsbürgerschaft abgegeben. Diejenigen unter ihnen, die dies nun rückgängig machen wollten, mussten einen behördlichen Hürdenlauf in Angriff nehmen. Die sogenannte Rückoption war für alle beteiligten Nationen Neuland. Erst das „Optanten-Dekret“, erlassen 1948, ermöglichte ihnen die Revision ihrer einstigen Entscheidung.[1] Dennoch wurde tausenden Personen anfänglich die Rückkehr nach Südtirol aus politischen Gründen – Nähe zum NS-Regime – verweigert (am Ende durften aber fast alle zurückkehren).[2]

Von Röggla wurde 1950 italienischer Staatsbürger und ließ sich ein Jahr später als Gemeindearzt in Auer nieder. Zu seinen Aufgaben gehörte die medizinische Betreuung der Dorfgemeinschaft sowie amtsärztliche Tätigkeiten, z.B. das Ausstellen ärztlicher Zeugnisse. Die Menschen kamen mit den unterschiedlichsten Problemen in seine Praxis, vom einfachen Husten bis hin zu Zahnschmerzen, größeren Wunden oder gynäkologischen Problemen, denn auch bei Geburten war er unterstützend anwesend. Dr. Röggla war eine hochangesehene Person, allseits bekannt und geschätzt. Er war auch einfach zu erkennen, denn er hatte zwei treue Schäferhunde, die ihm niemals von der Seite wichen.

Maximilian von Röggla

Schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lag von Röggla die Situation der deutschsprachigen Südtiroler am Herzen. Er war politisch aktiv und verband dies mit dem Eid des Hippokrates, den er als Arzt geleistet hatte. In diesem Sinne engagierte er sich vor allem für die Kriegsopfer, denn sie befanden sich oftmals in einer misslichen Lage, geprägt von gesundheitlichen Problemen und finanziellen Engpässen. Während italienische Veteranen eine Invalidenrente bekamen, gingen viele Südtiroler anfänglich leer aus oder bezogen geringere Beträge, da sie entweder freiwillig für Deutschland gekämpft hatten oder während der deutschen Besatzung eingezogen worden waren.   

So kam es 1955 zur Gründung des „Südtiroler Kriegsopferkomitees“, das sich 1957 mit dem „Südtiroler Heimkehrerverband“ zum „Südtiroler Kriegs- und Frontkämpferverband“, kurz SKFV, zusammenschloss.

Von Röggla hatte als Bezirksobmann des Unterlandes und Vizepräsident entscheidenden Einfluss auf dessen Tätigkeit. Erst 1965, also zwanzig Jahre nach Kriegsende, erreichten Südtiroler Kriegsinvaliden und deren Familien auf staatlicher Ebene die Anerkennung der Dienstjahre. Für die Erlangung von Kriegspensionen und Frontkämpferzulagen mussten sie Nachweise über ihre Wehrdienstzeiten, Gefangenschaften, Kriegsverletzungen und Kriegsauszeichnungen vorlegen. Bei der Beschaffung dieser Informationen war ihnen der SKFV behilflich.[3]

Zusätzlich war von Röggla auch Mitglied der Südtiroler Volkspartei, wo er in der Parteileitung und im Parteiausschuss saß. Wegen seiner politischen Aktivitäten hatten die Ordnungshüter ein Auge auf ihn und er wurde mehrmals verdächtigt, in irgendeiner Weise an den Sprengstoffanschlägen der beginnenden 1960er-Jahre beteiligt zu sein. Als in der Nacht vom 31. Jänner auf den 1. Februar 1961 eine Bombe das Wohnhaus des mittlerweile verstorbenen Ettore Tolomei in Glen beschädigte,[4] wurde von Röggla mehrere Stunden lang verhört. Nach den Anschlägen der Feuernacht wurde er ganze fünf Monate lang im Gefängnis von Trient festgehalten.  

1972 übernahm von Röggla eine Stelle als medizinischer Assistent in der Pflegeanstalt Stadlhof in Pfatten. 1907 als Erziehungsanstalt für Jugendliche eröffnet, war die Zahl der Untergebrachten stets zurückgegangen, sodass die Einrichtung 1924 vorübergehend schloss. 1936 wurde sie als „Landwirtschaftliche Siedlung für ruhige Geisteskranke“ wieder in Betrieb genommen, mit 25 Patienten und 15 Patientinnen aus der Provinz Bozen, die im psychiatrischen Krankenhaus von Pergine untergebracht gewesen waren. Abgesehen von der als Beschäftigungstherapie verstandenen landwirtschaftlichen Arbeit, war im Stadlhof auch in modernen Zeiten keine regelmäßige medizinische Behandlung vorgesehen.[5] So wurde von Röggla nur gerufen, falls jemand effektiv erkrankte. Doch nach nur einem Jahr seiner Tätigkeit starb Maximilian von Röggla am 31. März 1973 unerwartet an einem Herzinfarkt.

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Fußnoten

[1] Eva Pfanzelter, Option und Gedächtnis. Erinnerungsorte der Südtiroler Umsiedlung 1939, Edition Raetia, Bozen 2015, 154f.

[2] Claus Gatterer, Aufsätze und Reden, Edition Raetia, Bozen 1991, 289.

[3] https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/landesarchiv/koerperschaften-organisationen-verbaende-und-vereine.asp?news_action=4&news_article_id=524537 [17.10.2021].

[4] Secondo attentato: dinamite nella casa di Tolomei, „Alto Adige“, 2.02.1961, 1.

[5] http://psychiatrische-landschaften.net/Stadelhof [17.10.2021].

Bibliografie

Gatterer, Claus, Aufsätze und Reden, Edition Raetia, Bozen 1991.

Heidegger, Maria [ed.], Ich lasse mich nicht länger für einen Narren halten. Eine Ausstellung zur Geschichte der Psychiatrie in Tirol, Südtirol und im Trentino, Edition Raetia, Bozen 2012.

Mirrione, Sabine, Josef S. Die Abschaffung der Psychiatrie in Italien, http://arbeit.psychiatrische-landschaften.net/wp-content/uploads/2011/10/Bio_Josef_S_de.pdf

Pfanzelter, Eva, Option und Gedächtnis. Erinnerungsorte der Südtiroler Umsiedlung 1939, Edition Raetia, Bozen 2015.

Pycha, Roger/Conca, Andreas, Psychiatrische Versorgung aus einer Hand: Das Beispiel Südtirol,„Wiener medizinische Wochenschrift“, (2006), Nr. 156, 111-117.

Solderer, Gottfried, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Edition Raetia, Vol. 3, Bozen 2001.

Von Röggla, Käthe, Brücke zur zweiten Heimat. Auer – Südtirol, Fotolito Varesco, Auer 2002.

Einst Anstalt für gefährdete Jugendliche, „Die Weinstraße“, 6 (2009), Nr. 3, 14.

Secondo attentato: dinamite nella casa di Tolomei, „Alto Adige“, 2.02.1961, 1.

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