Während in den höhergelegenen Gemeinden Südtirols vor 100 Jahren die Landwirtschaft fast ausschließlich der Selbstversorgung diente, gab es im Talboden schon Großbauern, welche Überschuss produzierten bzw. Grund an Halbpächter vergaben und dabei einen Teil (meist die Hälfte) der Ernte erhielten. Um den Ertrag besser verarbeiten und verkaufen zu können, schlossen sie sich zusammen und gründeten noch im ausgehenden 19. Jahrhundert die ersten Genossenschaften.
Fritz von Fioreschy Edler zu Weinfeld wurde am 18.03.1917 als ältester Sohn im Ansitz Fioreschy (Schloss Auer) geboren. Sein Vater besaß mehrere Häuser, 17 Hektar Weinanbauflächen sowie Äcker, Wiesen, Streumöser und Wald.[1] Wie alle Aurer Bauern hatte auch er Anteile am Grundbesitz der Gemeinde, den sogenannten Gemeindegerechtigkeiten. Er stellte seinen elf Halbpächtern für den Ertrag Pflanzgut, Perglholz sowie Draht, und lieferte Lagrein und Weißburgunder, aber auch Vernatsch, Teroldego, Blatterle und Muskateller an die Kellereigenossenschaft Auer.[2] Ein Teil der Ernte wurde im eigenen Haus eingekellert, zur Produktion von Tischwein und Leps.
Wie alle Grundbesitzer waren auch die Fioreschy zu Beginn des 20. Jahrhunderts Selbstversorger. Auf den Feldern wuchsen Weizen, Roggen und Gerste, Mais und Kartoffeln; im Stall standen rund ein Dutzend Kühe und Ochsen, ein Pferd und außerdem gab es Schweine und Hühner. In Auer hielten zu dieser Zeit beinahe alle Einwohner einiges Vieh und auch wenn jemand keinen eigenen Grund besaß, so hatte er zumindest Ziegen. Die Kuhhirten, Kiaherter, holten zwischen Markus (25. April) und Simon und Juda (28. Oktober) täglich die Kühe in allen Dorfställen ab und brachten sie auf das „Lange Teil“ und das „Heuteil“, heute Auwald und Moos, die als Weide genutzt wurden. Für die Ziegen gab es einen Goaser, der mit ihnen an den Berghang in die Lahn zog, wo sie Gras und Laub fraßen. Der letzte Goaser von Auer war Josef Trentini. Als Streu für den Stall verwendete man das Schilfgras aus den sogenannten Streb- oder Streumösern.
Paul von Fioreschy, der Vater von Fritz, hatte kein leichtes Erbe übernommen. Die Zeiten waren schwierig: Der Erste Weltkrieg hatte die Produktionstätigkeit geschwächt und die anschließende Annexion der ehemaligen Gebiete südlich des Brenners nach dem Friedensvertrag von St. Germain setzte der lokalen Wirtschaft zu. Die Grenzen wurden geschlossen und die ehemaligen, in langen Jahrzehnten der Tätigkeit aufgebauten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen wurden gekappt.
Die Unterlandler Weinbauern gerieten in Schwierigkeiten, da sie ausschließlich in die k.u.k. Monarchie exportiert hatten und der Markt im Königreich Italien kam als Ersatz (noch) nicht in Frage, denn dort herrschte ein Überangebot an italienischen Weinen.[3] Dazu kam die Reblaus, die parasitisch in den Wurzeln lebt und große Weinanbauflächen zerstörte.[4]
Ab 1929 folgte mit dem amerikanischen Börsencrash die Weltwirtschaftskrise, mit einem weltweiten Rückgang der Produktion, des Handels, der Zahlungsfähigkeit der Unternehmen und dem Zusammenbruch vieler Banken. Davon blieb Südtirol nicht verschont: auch hier mussten Betriebe und Genossenschaften schließen. Außerdem waren die Beziehungen zwischen den deutschsprachigen Südtiroler Grundbesitzern und dem faschistischen Regime angespannt. Neue Steuern und rund 40% Wertverlust beim Tausch der Geldvermögen von Kronen in Lire trieben viele Betriebe in den Bankrott.[5]
Als ein italienischer Beamter den Tiroler Adler am Erker des Ansitz Fioreschy übertünchen wollte, kam es zum Eklat, worauf die Familie Fioreschy die Provinz verließ – das Unterland gehörte bis nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur Provinz Trient – und nach Milland bei Brixen zog. Der Grundbesitz wurde einem Verwalter überlassen. Als Paul von Fioreschy 1931 starb, war der Betrieb schon arg in Bedrängnis und ein Großteil der Immobilien sowie Gründe mussten verkauft werden. Im Jahr 1935 waren, zusätzlich zum Ansitz, noch knapp 3 ha Weinbaufläche, Waldgebiete und die Strebmöser übrig.[6]
Fritz von Fioreschy übernahm als ältester Sohn in jungen Jahren den geschrumpften und verschuldeten Betrieb. Deshalb besuchte er 1933/34 im Alter von 16 Jahren die Staatliche Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Veitshöchheim in Deutschland, wo er mit den damals innovativsten Techniken der Landwirtschaft vertraut wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg pachtete er zusätzlichen Grund und baute neben Wein nun auch Äpfel an: Der Obstanbau war im Unterland groß im Kommen, mit amerikanischen Sorten wie Golden und Red Delicius, Winesap, Granny Schmid und Elstar. 1953 erwarb er seinen ersten Traktor (es gibt ihn immer noch), was zum Ende der Viehhaltung führte, denn er brauchte nun keine Zugtiere mehr und Milch konnte man problemlos einkaufen.
Die vor dem Ersten Weltkrieg gegründeten Obstgenossenschaften hatten dem politischen Druck und der wirtschaftlichen Regression nicht standgehalten, weshalb mittlerweile meist einheimische private Obstfirmen den Bauern ihre Äpfel und anderes Obst abkauften und es über die Landesgrenzen hinaus weitervermarkteten.
Fritz von Fioreschy war bereits im Zeitraum 1939–42 im Auftrag des Branzoller Obstgroßhändlers W. Cadsky nach Forli, Chioggia und Reggio Calabria gereist, um dort die Praktiken des Obsthandels zu erlernen. Das Magazin im Ansitz war damals an diese Obstfirma und teilweise ebenso an die Firma Zuegg vermietet. Im Jahre 1955 entschied sich Fritz von Fioreschy, neben der Landwirtschaft eine Obsthandelsfirma zu gründen. Zusätzlich zum Magazin mietete er Kühlzellen der Firma Rabiosi nahe dem Bahnhof. Die Entwicklungen in der Lagertechnik der Äpfel schritten voran und dem musste Rechnung getragen werden. Doch die Konkurrenz war groß: allein in Auer gab es gut ein Dutzend Obsthändler. Außerdem schlossen sich damals viele Landwirte erneut zu Genossenschaften zusammen. Als 1957 die Obstgenossenschaften gezielt Förderungen von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) erhielten und dadurch konkurrenzfähiger wurden, kam der private Obsthandel ins Schleudern. 1963 gab Fritz von Fioreschy die Firma auf und stellte seine Erfahrungen in den Dienst der genossenschaftlichen Vermarktung. Bis zu seiner Pensionierung 1982 arbeitete er in leitenden Positionen für folgende Obstgenossenschaften: 1963–69 Unifrut Unterlandler Obstgenossenschaft Neumarkt, 1971–76 Agrifrutta cooperativa sociale Trento, 1976–82 Eso Erzeugerorganisation Südtiroler Obstproduzenten.
Fritz von Fioreschy starb 1994 und hinterließ seine Landwirtschaft sowie seine Leidenschaft für den Obsthandel seiner Frau Anna und den Kindern Paul, Thomas, Kristin und Maria.
[1] Auflistung aus Inventario. Servitú e bestiame. attrezzi rurali (ca. 1927) (im Hausarchiv Fioreschy einsehbar)
insgesamt 175.434 m2 (17,5 ha) Weinfelder, zum Teil auch Äcker und Wiesen
8438 m2 (0,8 ha) Obst
44046 m2 (4,4 ha) Streumöser
38078 m2 (3,8 ha) Wald)
[2] S. Vertrag 1926 – Mappe (im Haus-Archiv Fioreschy einzusehen).
[3] Andrea Leonardi, 1809 – 2009. Südtiroler Landwirtschaft zwischen Tradition und Innovation, Südtiroler Bauernbund, Bozen 2009, 83. https://www.sbb.it/docs/default-source/news-downloads/begleitschrift-zur-wanderausstellung-publikation-von-prof-andrea-leonardi [07.10.2021].
[4] Franz Hieronymus Riedl, Von Wein und Obst im Südtiroler Unterland, in: Südtiroler Kulturinstitut (ed.), Das Südtiroler Unterland, Verlagsanstalt Athesia, Bozen 1980, 525-552, 533.
[5] Gottfried Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Vol. 2, Edition Raetia, Bozen 2000, 134f.
[6] S. Verbale di Stima 1935 – Mappe.
Leonardi, Andrea, 1809 – 2009. Südtiroler Landwirtschaft zwischen Tradition und Innovation, Südtiroler Bauernbund, Bozen 2009. https://www.sbb.it/docs/default-source/news-downloads/begleitschrift-zur-wanderausstellung-publikation-von-prof-andrea-leonardi
Nössing, Josef, Der Blick zurück. Südtirols Landwirtschaft von 1850 bis 1980, Südtiroler Bauernbund, Bozen 2019.
Riedl, Franz Hieronymus, Von Wein und Obst im Südtiroler Unterland, in: Südtiroler Kulturinstitut (ed.), Das Südtiroler Unterland, Verlagsanstalt Athesia, Bozen 1980, 525-552.
Solderer, Gottfried, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Vol. 2, Edition Raetia, Bozen 2000.