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Das Unterland wird Südtirol Josef Geier

von Thomas Winnischhofer

Das Südtiroler Unterland liegt in direkter Nachbarschaft zu den italienischsprachigen Gebieten des ehemaligen Kronlandes Tirol. Aus diesem Grund sind hier schon seit mehreren Jahrhunderten beide Sprachen, Deutsch und Italienisch, heimisch. Dies war der Grund, dass die faschistische Verwaltung das Unterland – gegen den Willen der Bevölkerung – zur Provinz Trient schlug. Ettore Tolomei hatte das Unterland als „terra grigia“, Grauzone, bezeichnet, das aufgrund seiner mehrsprachigen Bevölkerungszusammensetzung leicht zu italianisieren sei. Erst 1948 wurde das Unterland an die Provinz Bozen angegliedert, unter anderem auch dank des Engagements von Josef Geier Sr.       

Josef Geier hat 1903 in Auer als Sohn von Rosa Larcher das Licht der Welt erblickt. Er war Halbwaise, denn sein Vater war kurz vor seiner Geburt bei einem Zugunfall ums Leben gekommen. Seine Mutter bestritt den Lebensunterhalt als Angestellte beim Schmied Pernthaler, der beim Elefantenwirt eingemietet war. Er nahm sich der zweiköpfigen Familie an und finanzierte die Schulausbildung des kleinen Josef, sodass dieser in Bozen eine höhere technische Schule besuchen konnte. Der Junge legte Begabung und Begeisterung an den Tag, nicht nur beim Lernen. So war er in seiner Jugendzeit einer der Mitbegründer des Aurer Fußballvereins. Dies geschah kurz nach dem Ersten Weltkrieg, als die frisch annektierten Gebiete unter italienischer Zivilverwaltung standen und das deutschsprachige Vereinswesen noch nicht jenen Repressalien ausgesetzt war, die es nach der Machtübernahme der Faschisten ab 1923 erleben sollte.

Nach Abschluss der technischen Lehranstalt ging Josef Geier nach Deutschland und absolvierte dort erfolgreich ein Studium in Asphalttechnik. Dieses verschaffte ihm eine gut dotierte Anstellung in führender Position bei der Firma Cledca in Marghera bei Venedig. Hier war er unter anderem in der Forschung zu neuen Metallen tätig. In diese Zeit fällt die Familiengründung mit Rosa Gilmozzi aus Meran. Die Zwillinge Josef Jr. und Adalbert sowie Tochter Maria wurden in Venedig geboren und verbrachten dort ihre ersten Lebensjahre (Josef Geier hatte noch eine weitere anerkannte Tochter namens Maria, die vor seiner Ehe zur Welt gekommen war und mit der Mutter in Südtirol lebte). Sohn Max kam als Nachzügler in Bozen zur Welt. Um den Anschluss an den väterlichen Geburtsort nicht zu verlieren, fuhren die Geiers in den Ferien immer gemeinsam mit anderen Aurer Familien zur Sommerfrische nach Truden – Rosa hatte Verwandte im Fleimstal. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Josef Geier die Leitung der Cledca-Niederlassung in Trient und die Familie ließ sich endgültig in Auer nieder.

Josef Geier

Nach Gründung der Südtiroler Volkspartei am 8. Mai 1945 war Josef Geier wesentlich am Aufbau der Bezirksgruppe Unterland beteiligt. Als „unbelasteter“ Dableiber fungierte er, gemeinsam mit anderen prominenten Dableibern wie Erich Amonn oder Friedl Volgger, als Garant für die politische Integrität der Partei (effektiv waren bei der Gründungsversammlung aber auch einige Optanten anwesend, darunter Karl Tinzl und Hans Stanek).[1] Geier wurde zum ersten SVP-Bezirksobmann des Unterlandes ernannt und vertrat fortan mit Inbrunst dessen Interessen, vor allem, wenn es um die Verschiebung der Provinzgrenze ging. Seit 1927 gehörten die südlich von Leifers gelegenen Gebiete nämlich zur Provinz Trient. Ein kleines Intermezzo stellte die Operationszone Alpenvorland (1943–1945) dar, als die nationalsozialistischen Besatzer eine Verlegung der Verwaltungsgrenze zugunsten der mehrheitlich deutschsprachigen Provinz Bozen beschlossen. Das betraf die Gemeinden des Unterlandes, aber auch Buchenstein und einige Teile des oberen Nonstales. Nach Einmarsch der Alleierten wurde dieser Entscheid gleich am 4. Mai 1945 revidiert: das Unterland kam erneut zu Trient.[2]

Primäres Anliegen von Josef Geier war die Angliederung des Unterlandes an Südtirol.

Er fuhr dafür mehrmals nach Trient und sogar bis nach Rom, um mit den dortigen Autoritäten zu verhandeln, wobei ihm seine hervorragenden Italienischkenntnisse von großem Nutzen waren. Für Aufmerksamkeit sorgte er am 30. Mai 1946 mit einer Kundgebung auf dem Hügel von Castelfeder, wo er als Redner unter anderem für die Verschiebung der Provinzgrenze nach Salurn eintrat. Slogan der Veranstaltung, die bei strömendem Regen stattfand, war: „Das Unterland zu Bozen, Südtirol den Südtirolern“.[3] Im Dezember des darauffolgenden Jahres kam es in Neumarkt aus demselben Grund zu einer Demonstration, an der ganze 4.000 Personen teilnahmen.[4] Mit dem Inkrafttreten des Ersten Autonomiestatuts im Jahre 1948 war es dann soweit: Das Unterland wurde Teil der Provinz Bozen-Südtirol. 

Doch nicht nur Politik war Josef Geier ein Anliegen. So gründete er 1950 den ersten Radverein von Auer.

Radverein Auer um 1950

Nachdem Sport und Freizeit zuerst von den Faschisten und dann von den Nationalsozialisten lange Zeit politisch vereinnahmt worden waren, erlebte das Südtiroler Vereinswesen nun eine Blütezeit. Schon im November 1945, also sechs Monate nach Kriegsende, nahm in Bozen der „Südtiroler Sportverein“ (SSV) seine Tätigkeit wieder auf.[5] Aber auch die Musikkapellen fanden erneut zusammen. Jene von Auer wurde 1947 erstmals nach Kriegsende neu erstellt und Josef Geier unterstützte sie eine Zeit lang sogar als Obmann. Gesportelt oder musiziert wurde nun nicht mehr unter dem Leitgedanken politischer Ideologien; nichtsdestotrotz ist die ethnische Trennung nach wie vor ein bestimmender Faktor im lokalen Vereinswesen – in Auer und auch im restlichen Südtirol. Josef Geier war Zeit seines Lebens in beiden Sprachen heimisch. Bis zu seinem Tod war er in Trient als Firmenleiter tätig, auch nachdem die Cledca von der Carbochimica aufgekauft worden war. Er starb 1957 unerwartet bei einem Autounfall, bei dem auch einer seiner Söhne verletzt wurde.[6] Auer erinnert sich an Josef Geier als einsatzfreudigen und tatkräftigen Menschen.

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Fußnoten

[1] Gottfried Solderer, Südtirol im 20. Jahrhundert, Vol. 3, Edition Raetia, Bozen 2001, 69.

[2] Andrea Di Michele, Salorno e il confine mobile, in: Andrea Di Michele (et.al.), Al confine. Sette luoghi di transito in Tirolo, Alto Adige e Trentino, Edition Raetia, Bozen 2012, 229-283.

[3] Das Unterland gehört zu Südtirol, “Dolomiten”, 1.06.1946, 2; Das Unterland hat gesprochen, “Volksbote”, 6.06.1946, 1.

[4] Josef Fontana, Neumarkt 1848 – 1970. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte des Unterlandes, Athesia, Bozen 1993, 399f.

[5] Alfred Dissertori/J. Christian Rainer, Das Südtiroler Sportbuch, Edition Raetia, Bozen 2018, 60.

[6] Fontana, Neumarkt, op.cit., 554 (Fußnote 2106).

Bibliografie

Di Michele, Andrea, Salorno e il confine mobile, in: Di Michele, Andrea (et.al.), Al confine. Sette luoghi di transito in Tirolo, Alto Adige e Trentino, Edition Raetia, Bozen 2012.

Dissertori, Alfred/Rainer, J. Christian, Das Südtiroler Sportbuch, Edition Raetia, 2018.

Fontana, Josef, Neumarkt 1848–1970. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte des Unterlandes, Athesia, Bozen 1993.

Fontana, Josef, Das Südtiroler Unterland, Athesia, Bozen 1980.

Regele, Ludwig Walter, Das Unterland in der Zeit von 1914–1948, in: Südtiroler Kulturinstitut (ed.), Das Südtiroler Unterland, Athesia, Bozen 1980, 193–270.

Solderer, Gottfried, Südtirol im 20. Jahrhundert, Vol. 3, Edition Raetia, Bozen 2001.

Das Unterland gehört zu Südtirol, „Dolomiten“, 1.06.1946, 2.

Das Unterland hat gesprochen, „Volksbote“, 6.06.1946, 1.

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